Die 82-jährige Schauspielerin Rosemarie Fendel liest Leonora Carringtons ?Hörrohr? und macht aus dem gedruckten Text, der sich allerlei Abschweifungen und Brüche erlaubt, ein literarisches Erlebnis. Fast könnte man meinen das Werk habe durch die Audio-Fassung erst zu seiner eigentlichen Bestimmung gefunden. [?]
Die 82-jährige Rosemarie Fendel kostet, wie man den Einspielungen anhören kann, das ganze tonale Spektrum aus, wenn Sie den Figuren des surrealen Klassikers ?Das Hörrohr? ihre Stimme leiht. Mühelos verwandelt sie Leonora Carringtons phantastischen Roman in ein literarisches Erlebnis aus einem Guss, was sich keineswegs von selbst versteht, denn die Buchvorlage erlaubt sich mannigfaltige Brüche und erzählerische Abschweifungen. Um rund ein Viertel gekürzt tut dem Hörbuch die Entschlackungskur so gut, dass man beim Blick in den gedruckten Text den Eindruck gewinnt, hier läge eine wohl noch unlektorierte Fassung vor. Vielleicht hat das "Hörrohr" mit dem neuen Medium erst zu seiner endgültigen Form gefunden, und es ist gar nicht tragisch, dass man die Buchausgabe derzeit nur antiquarische erwerben kann. Denn Leonora Carringtons bizarre Geschichte über ein Dutzend uralter Damen beschränkt sich beileibe nicht auf die Schilderung eines satirisch überzeichneten Seniorenheims, sondern endet in Weltuntergang und Apokalypse, und das nimmt sich gehört glaubwürdiger aus als gelesen ? vielleicht weil in der oralen Literaturtradition Übertreibungen stets dazugehören."