Hörbuchtipp
Joel Dicker: »Das Verschwinden der Stephanie Mailer«
05.10.2023
Ein Hörbuchtipp von Sarah Theel (Lektorin)
Als »Die Wahrheit über den Fall Harry Quebert« erschien, sagte eine Arbeitskollegin zu mir, das wäre eines der besten Bücher, das sie seit Jahren gelesen hätte. Dann erschien »Die Geschichte der Baltimores«, ein Bekannter gab mir das Hörbuch und sagte, es hätte ihm so gut gefallen und ich müsste es unbedingt anhören. Nun legt Joël Dicker mit »Das Verschwinden der Stephanie Mailer« seinen dritten Roman vor und verständlicherweise waren meine Erwartungen hoch. Sogar sehr hoch. Nicht nur an das Buch, sondern auch an Sprecher Torben Kessler, der die knapp 20 Stunden wieder eingelesen hat.
Die Geschichte beginnt in der Gegenwart, an dem Tag, an dem der Polizist Jesse Rosenberg seinen Abschied vom Polizeidienst feiert. Auf einmal steht die Journalistin Stephanie Mailer vor ihm und behauptet, Jesse und sein Kollege Derek Scott hätten bei ihrem ersten Fall vor zwanzig Jahren den falschen Mann verdächtigt. Damals wurde in dem Badeort Orphea an der amerikanischen Ostküste der Bürgermeister mit seiner Familie eiskalt erschossen und auch eine vorbeikommende Joggerin fiel dem Mörder zum Opfer.
Die beiden Polizisten ermittelten und fanden einen Schuldigen. Den Falschen, wie Stephanie Mailer nun behauptet. Jesse und Derek gehen darauf nicht weiter ein, bis Stephanie Mailer wenige Tage später vermisst gemeldet wird. Die beiden nehmen erneut die Ermittlungen auf und es entspinnt sich eine Geschichte mit so vielen Zeitebenen, persönlichen Schicksalen und kleinen Geheimnissen, dass man am Ende kaum fassen kann, was für einen raffiniert gesponnenen Roman man eben gehört hat. Eigentlich möchte man direkt wieder von vorne anfangen, da man sich sofort der Tatsache bewusst wird, bestimmt zahlreiche Details überhört zu haben, die man erst beim zweiten Mal wahrnimmt. Wie auch seine Vorgänger, ist Dickers Geschichte vor allem durch seine psychologische Raffinesse spannend, die zu meinem Glück auf blutige Details verzichtet.
Ohne Torben Kesslers Stimme wäre das bereits ein Ereignis, aber der Schauspieler und Sprecher setzt noch einen drauf und vermag es, diese Geschichte mal mitreißend, mal sensibel, mal gelassen, mal packend zu erzählen, so dass man sich dem Sog des Romans und Torben Kesslers Stimme einfach nicht entziehen kann.
»Das Verschwinden der Stephanie Mailer« steht seinen beiden Vorgängern in nichts nach und gehört meiner Meinung nach in diesem Frühling eindeutig zu den literarischen Highlights unter den Hörbuch-Neuerscheinungen!