Interview
Andreas Steinhöfel
05.10.2023
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„Das ist einfach gute Poesie“
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Andreas Steinhöfel hat seinen Lieblingsroman von Otfried Preußler, den Kinderbuchklassiker »Der kleine Wassermann«, als Hörbuch eingelesen. Nach den Aufnahmen haben wir ihm Fragen gestellt.
»Der kleine Wassermann« ist dein Lieblingsbuch von Otfried Preußler. Kannst du sagen, warum das so ist?
Andreas Steinhöfel: Das ist schwer zu sagen, warum das so ist. Die kleine Hexe war mir immer zu duster und Das kleine Gespenst – das weiß ich noch – das war mir zu harmlos. Und dann blieb Der kleine Wassermann und den fand ich magisch. Mit diesem Teich, dieses grüne Wasser, dieses Gefühl von Schwerelosigkeit, was sich beim Lesen eingestellt hat. Das war genau so eine Figur, wie ich sie einfach gemocht habe. Der Wassermann war rundum stimmig.
Wie alt warst du, als du den »Kleinen Wassermann« zum ersten Mal gelesen hast oder dir die Geschichte vorgelesen wurde? Hast du Erinnerungen daran?
Andreas Steinhöfel: Ich habe den selber gelesen, da war ich – ich schätze mal – ungefähr acht. Und ich erinnere das sogar noch sehr gut. Also ich wusste ja, wie es sich anfühlt, wenn man schwimmt und ich wusste, wie es sich anfühlt, wenn man taucht. Aber wenn man sozusagen tauchend schwimmt, die ganze Zeit, das hat sich dann durch das Lesen des Buches eingestellt. So ein Gefühl dafür, wie du in ewiger Schwerelosigkeit durch diesen extrem aufregenden Mühlenweiher geschwommen bist. Das war ganz großes Kino.
Hast du eine Lieblings-Episode im Roman?
Andreas Steinhöfel: Meine Lieblingsstelle im Roman ist die, wo der kleine Wassermann hinter dem Schleusentor die Rutsche runterrauscht und dann unten ins Mühlrad knallt. Das war etwas, da hat der kleine Andreas frohlockt, denn das hätte ich mich niemals getraut – ich würde es mich heute noch nicht trauen. Das war so eine superschöne Ersatzhandlung. Ich dachte: »Ja, ja, mach das, mach das! Ich will genau wissen, wie es sich anfühlt. Hauptsache, ich muss es nicht selber machen.« Also das war einfach perfekt. Die Aufregung, dieses »Und dann immer schneller und immer mehr«, wie alle Kinder das wollen – und wenn der Teich dabei trocken gelegt wird. Das war einfach eine supertolle Geschichte: Dass man das Gefühl hat, man ist mittendrin und macht auf jeden Fall mit und steigt da mit in die Rinne und rast dann da runter! Fand ich fantastisch.
Wie fühlt es sich an, den Text 2020 zu lesen?
Andreas Steinhöfel: Ich finde ihn nach wie vor sehr eindringlich, den Text. Ich lass mal die Stellen weg, wo man heute sagen würde: »Ach, muss die arme Mama immer kochen und muss der Wassermann-Papa dem den Hintern versohlen.« Das sind Zeitgeistsachen. Preußler schafft es immer sehr, sehr klug, dass er im Prinzip eine Handlung schildert und dann auf einmal kommt so ein kleiner Teil, wo er lyrisch wird oder poetisch. Dann wird mal beschrieben, wie so eine Alge wabert oder natürlich die Szene mit der Harfe am Weiherrand, wenn der Mond aufgeht. Und das berührt einen nach wie vor. Das ist eben einfach gute Poesie. Das funktioniert immer und ich glaube, das wird auch in hundert Jahren noch funktionieren.