Hörbuchtipp
Alexander Osang: »Die Leben der Elena Silber«
05.10.2023
Ein Hörbuchtipp von Tessa Müller (Presse)
Stefan Kaminski liest Alexander Osangs »Die Leben der Elena Silber«. Was für ein Hörbuch! So übervoll. Wo fange ich an?
Ich fange mit Elena an. Mit Elena Silber. Ihre Geschichte, erinnerte Geschichte, beginnt, wie sie behauptet, mit der Ermordung ihres Vaters 1905 in Gorbatow. Der Revolutionär wird von Schergen des Zaren brutal getötet. Es folgt die Flucht ihrer Familie aus der Stadt und ab da, so hat man das Gefühl, ist diese Frau mit den fuchsroten Haaren eigentlich immer nur noch unterwegs. Und wir reisen mit: Von Russland nach Deutschland und durch die Zeit und landen schließlich in der Gegenwart. Im Berlin des Jahres 2017.
Es geht in diesem Hörbuch nämlich auch um Konstantin, den Enkel von Elena Silber. Dieser macht sich 2017 auf, die wahre Geschichte seiner Großmutter herauszufinden. So viele Leben hat diese Frau gelebt. Was ist von den Erzählungen über sie Wahrheit, was ist Fiktion? Konstantin ist Filmemacher und versucht den Dingen auf den Grund gehen.
Sie denken, Sie wüssten jetzt wovon Alexander Osangs neues Buch handelt? Weit gefehlt. Denn dieses Buch erzählt darüber hinaus von der engen Beziehung zwischen Konstantin und seinem Vater, der langsam dement wird, und es erzählt ebenso von deren gemeinsamer Liebe zum Film. Spätestens hier, bei diesen Vater-Sohn-Episoden zeigt sich Osangs Fähigkeit, das Lustige und das Traurige auf das Schönste miteinander zu verquicken. Selten habe ich bei einem Hörbuch so mitgefühlt – immer hin- und hergerissen, irgendwo zwischen Rührung, Trauer, Glück.
Schuld daran ist natürlich auch Stefan Kaminski, der das einfach kann: Das Leichte und das Schwere und das Leichte im Schweren und das Schwere im Leichten – der diese feinen Nuancen mit seiner Stimme aufspürt und sie so transportiert, dass man mitgehen muss. Das Lachen, der Kloß im Hals, das Schmunzeln beim Hören – das ist auch seine Stimme, die macht das, ohne Frage.
Nicht zuletzt, das muss ich noch erwähnen, geht es in diesem Hörbuch aber auch um die Töchter der Elena Silber und damit um vier außergewöhnliche Frauen (eine davon ist Konstantins Mutter). Sie alle gehen mit einer bewundernswerten Stärke durchs Leben, sind eigensinnige und faszinierende Persönlichkeiten. Und weil das bei Weitem immer noch nicht alles ist, kann ich jetzt eigentlich nur noch sagen: Selbst hören! Es hilft nichts! Wirklich.